Dr. Biggel berichtet erneut

Ein Bericht von Einsatzarzt Dr. Hermann Biggel

Worüber ich mir immer wieder Gedanken mache, ob wir den erwartungsvollen Augen der oft schon seit dem Vorabend wartenden Patienten, gerecht werden. Sie haben oft sehr weite Anreisewege hinter sich, wenn sie mir „MORNING DOC“ zur Begrüßung zurufen. Aufgrund des hohen Patientenaufkommens verbleiben leider meist nur sehr kurze Kontaktzeiten. Ist es wirklich Hilfe, die wir anbieten können oder nur Symptomkontrolle, wenn sich die Patienten mit „THANK YOU DOC“ verabschieden? Oft gehen Fragen in der Anamnese durch indirekte Fragestellung über die Dolmetscherin unter. Vor allem wenn es um psychosomatische Erkrankungen geht, die uns in den Slums sehr häufig begegnen. Die Ursachen dieser Erkrankungen liegen natürlich auf ganz anderer Ebene wie in der westlichen Welt (hier: Kampf ums nackte Überleben, wie ernähre ich mein Kind morgen etc.) Die Arbeitslosigkeit im philippinischen Landesdurchschnitt beträgt etwa 30 Prozent, die unserer Slumbewohner ist nahezu 100 Prozent. Viele  Partner leben aufgrund der Armut getrennt voneinander, Scheidungen sind aufgrund des Einflusses der Kirche (die Bevölkerung ist sehr stark vom Katholizismus geprägt) äußerst selten.

Die Armut der Bevölkerung ist überall spürbar, so lernen z. B. die meisten unserer Projektkinder nie schwimmen, weil ein Kurs nicht finanziert werden kann. Dies stellt aber für die armen Menschen u.U. ein vitales Problem dar, weil Überflutungen durch die oft sintflutartigen Regenfälle in der Regenzeit, durch die Brandrodungen des Urwaldes, teilweise sogar der ausgewiesen Nationalparks, bedingt, immer häufiger werden (vgl.12/2011 allein in Cagayan 1.000 Tote nach einer Überschwemmung in einer Nacht).

Eines der wichtigsten Anliegen unserer Projekte ist natürlich Hilfe zur Selbsthilfe. In Cagayan finden ständig umfangreiche Schulungsprogramme für angelernte Mitarbeiter (Health worker) statt, die in den umliegenden kleineren Kliniken oder als Begleitpersonal der verschiedenen Rolling Clinics tätig sind. Sie führen Erst- und Notfallversorgungen durch, bis die Rolling Clinic-Ärzte in etwa 4- bis 6-wöchigem Rhythmen die Versorgung ergänzen.

Zunehmend häufiger  treten in den Schwellenländern die typischen Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Schlaganfälle und Herzinfarkte auf. Auch hierfür werden präventive und therapeutische Schulungen angeboten. Des weiteren gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen und Beratungen zur Familienplanung (Kondomeinweisungen, Dreimonatsspritzen, Legen von Gebärmutterspiralen). In Kooperation mit einer Universität wird ein Pilotprojekt zur Krebsvorsorge durchgeführt.
Fehl- oder unterernährte Kinder können in einem Gebäude, das unserer Klinikambulanz angegliedert ist, vorübergehend bleiben und stabilisiert werden (siehe nachfolgendes Bild: den beiden Mädchen geht es wieder besser)

zwei Spielgefährten

Eine äußerst interessante Einrichtung ist auch das Interplantprojekt. Im Wechsel kommen entweder ein deutsches oder australisches Operationsteam, bringt das gesamte OP-Equipment mit und operiert in einem assoziierten Krankenhaus Kinder mit unterschiedlichen Missbildungen.

Die Kinder stammen aus einem größeren Einzugsgebiet meist aus dem bergigen Hinterland der philippinischen Inseln und leben in Armut.

Vor und nach den Operationen werden die Kinder in unserer Einrichtung betreut.

Unten wartende Kinder mit Lippen- Kiefergaumenspalten, die teils mit ihren Eltern anreisen, die auch die Betreuung mitübernehmen können. In philippinischen Krankenhäusern ist eine Rundumpflege und Versorgung auch nicht üblich im Gegensatz zu uns. Die Ursachen dieser Missbildung sind noch nicht ganz geklärt. Teilweise sind es Erbfaktoren, Ernährungsfehler (Alkohol – oder Nikotinkonsum während der Schwangerschaft) und Mangelerscheinungen wie der Folsäuremangel aufgrund akuter Armut.

Armut ist ein großes Problem

Eine Familie in nairobi

Kinder mit Gaumen- Kieferspalte

Bilder oben: wartende Kinder mit ihren Eltern (ein Bild zeigt einen Vater mit drei behinderten, eigenen Kindern, deren Familie bisher keine erbliche Häufung dieser Kiefermissbildung aufzuweisen hat.

 

Aufgeschrieben von Dr. Hermann Biggel