Ein Bericht von Thomas Gehrig über seinen Einsatz in Nairobi, Kenia

Es ist Montagabend und ich komme gerade aus der Praxisklinik  im Mathare Valley Slum“heim“. Die Eindrücke lasten noch auf mir. So hatte ich heute drei kleine Patienten (der Älteste war drei Jahre alt) mit teilweise massiven Verbrennungen. Wie kommt so etwas zustande? Wie kann so etwas passieren? An einem Tag?

In Mathare leben alle Menschen auf engstem Raum. Das Gebiet ist nicht vielgrößer als ein Neubaugebiet einer Großstadt und doch leben hier deutlich über 200.000 Menschen. Ich kenne keine exakten Zahlen, aber sechs bis acht Personen in einer Blech- bzw. Papphütte sind hier die Regel, nicht die Ausnahme. Dies entspricht bei uns einem kleinen Zimmer. Hier wird geschlafen, gewaschen, gekocht und gespielt. Abtrennungen sind dürftig, zum Teil findet man offenes Feuer, nicht isolierte Stromkabel und Kochnischen, die wackelig auf lehmigem unterspültem Boden stehen.

Und dann passiert es: Drei Mal an diesem Wochenende kommen Kinder an den Kochtopf und  verbrennen sich. Welche Schmerzen und Qualen damit verbunden sind, muss ich wohl nicht beschreiben. Auf den Bildern kann man das Ausmaß der Verletzungen erkennen.

Kleinkind mit Verbrennungen an Arm und Oberkörper

Kleinkind mit Verbrennungen an Arm und Oberkörper

In der Praxisklinik sind für uns folgende Fragen relevant: Welcher Anteil der Haut ist verbrüht und wie tief gehen die Verletzungen? Dies ist oft erst nach Tagen zu ermessen.

Wir müssen auch wissen ob die Kinder noch gestillt werden, wie groß der Flüssigkeitsverlust ist, ob die Kinder mangelernährt sind und ob sie Fieber haben. Außerdem gilt es festzustellen, ob weitere Kinder geschädigt wurden.

Ein Kind mit Verbrennungen am ganzen Körper

Ein Kind mit Verbrennungen am ganzen Körper

Erst nach ausführlicher Dokumentation erfolgt dann das sogenannte „Debridement“ – ein extrem schmerzhaftes Vorgehen zur Entfernung des infizierten oder geschädigten Gewebes. Hier ist es für mich schwierig bei den Kleinsten die richtige Dosis der Analgesie zu ermitteln. Eine längerfristige Einnahme von Antibiotika schließt sich an. Wir versuchen Gelenkversteifungen zu vermeiden. Dies gelingt jedoch nicht immer. Täglich werden die Kleinen von ihrer Mutter zu uns gebracht. Die Verbandswechsel erfordern Nerven – die Kleinen sind so sehr geplagt.

Die Diskrepanz zwischen der medizinischen Versorgung hier in Kenia im Vergleich zum europäischen Raum ist verheerend: Bei uns wüde jedes dieser Kinder mit dem Helikopter in eine Spezialklinik für Verbrennungen unter Notarztbegleitung verlegt werden. Ich weiß, das belastet jeden, der sich damit beschäftigt. Es belastet mich sehr und doch ist es hier, aufgrund der Wohnsituation, fast Alltag.