Ein Leben zwischen Müllbergen II – Mikado spielen und Müll sammeln

Ein Bericht von Ute Arend über ihren Einsatz auf Cebu

Ein beißender süßlicher, im Hals brennender Geruch hängt in der Luft, der in alle Poren eindringt. Es ist unvorstellbar, das Leben zwischen Müllbergen. Mittendrin in einem der Müllberge steht eine kleine Kapelle und daneben ein kleines Haus, wo Schweine geschlachtet werden (wir hören es jedes Mal quieken). Rechts und links von uns ist nur Müll, den Erwachsene und Kinder mit bloßen Händen und auf Gummilatschen durchwühlen und sortieren, nach Plastiktüten, Reifen, Pappe, Metall, Glas und was sonst noch zu gebrauchen ist. Direkt neben den Müllbergen fangen die Hütten an. Wenn es regnet, läuft ihnen das mit giftigen Chemikalien verseuchte Wasser in die Hütten hinein.

Hier treffe ich ein bildhübsches Mädchen von 14 Jahren mit einem völlig deformierten Fuß. Sie wurde 2009 bei einem Verkehrsunfall überfahren, erhielt jedoch keinerlei Entschädigung.

Der Fuß wurde plastisch gedeckt, ist aber völlig schief verheilt. Sie hat eine Schiene, die ihr eigentlich zu klein ist und drückt. Wir versuchen etwas zu polstern und suchen aus dem Müll!! einen alten Badelatschen. Eigentlich bräuchte sie eine neue Schiene, die aber keiner hier bezahlen kann. Die Druckstelle wird mit Povidon verbunden und sie geht glückselig lächelnd davon auf ihrer Krücke. Überhaupt, in all dem Elend: Die Kinder mit ihren wunderschönen großen Augen lachen, spielen eine Art Mikado mit Gummiringen, wenn sie nicht gerade Wasser schleppen, Wäsche waschen, Müll sortieren, egal wie alt und groß sie sind. Die Filipinos sind unendlich freundlich, lächeln einem immer zu und bedanken sich für alles, selbst wenn es nur ein guter Rat ist.

Nach einer langen Sprechstunde, es ist inzwischen schon dunkel geworden, machen wir noch einen Hausbesuch bei zwei Brüdern mit einem Schlaganfall. Irgendwo hinter drei dunklen Gassen geht es eine Hühnerleiter hinauf. Oben wohnen in drei Räumen von je ca. fünf Quadratmeter ich weiß nicht wie viele Personen. Pro Raum mindestens zwei Erwachsene und vier Kinder. Der Fußboden besteht aus Bambusstäben, da halten sich wenigstens kaum Läuse. Ein Tuch dient als Matratze und Zudecke zugleich und nur ein Kopfkissen auf dem Boden weist darauf hin, dass hier jemand schläft. Es gibt ein Regal, sonst keine Möbel. Es ist stockdunkel bis auf eine selbstgebaute Öllampe aus einer Flasche. In je einem Raum leben die zwei Brüder mit ihren Familien. Der eine Bruder ist Ende 30, bettlägerig wegen eines Hirnschadens und hat eine Epilepsie. Vier kleine Kinder hocken neben ihm. Die Ehefrau pflegt ihn. Woher kommt das Geld für Miete und Essen? Der andere Bruder, eher Anfang 30 hatte ebenfalls einen Schlaganfall und kann nur mühsam etwas Laufen, aber keine Hühnerleiter steigen. Das sind nur zwei Schicksale von vielen.