Das Ende meines Einsatzes im Mathare Valley

Der letzte Arbeitstag. Auf der Straße ist es noch recht ruhig, es kommen aber trotzdem genug Patienten. Ein Junge hat sich vor 14 Tagen einen Holzsplitter in den Unterarm gerammt. Erst jetzt, wo sich reichlich Eiter gebildet hat und sich zu entleeren beginnt, kommt er. Der Junge ist recht tapfer und braucht für die weitere Versorgung keine Kurznarkose. Bei einem anderen Kleinkind mit Unterarmfraktur ist die Narkose hilfreich. Er schläft anschließend zwei Stunden friedlich.

Gar nicht schön ist ein weiteres Kleinkind mit einer akuten Leukämie. Extrem blass, schwer atmend, mit mäßiger Milzvergrößerung, habe ich zunächst an eine schwere Malaria gedacht. Im Blutbild finden sich aber 122.000 weiße Blutkörperchen, das Hämoglobin ist auf 3,7g% abgefallen. Da geht es nur in der Klinik weiter. Es ist damit die zweite sichere Leukämie bei einer weiteren nicht ganz sicher abgeklärten innerhalb von sechs Wochen. In meiner Erinnerung habe ich in den ganzen 19 Jahren Praxistätigkeit nicht so viele gesehen.

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Was bleibt?

Es war wieder ein großes Erlebnis! Die ärztliche Arbeit in einem großen sechsköpfigen Kollegenkreis ist anspruchsvoller und vielfältiger als in einer Rolling Clinic in Kalkutta oder auf Mindoro. Vielleicht vergleichbar mit der Arbeit in Buda, aber hier war ich mit dem gynäkologischen Kollegen eher ein Einzelkämpfer. Jetzt ist es ein Geben und Nehmen, vor allem unter den Kollegen, aber auch im Bezug auf unsere Mitarbeiter, Patienten und Kenia selbst. Vieles hat mich erfreut, bereichert, manches aber auch erschreckt. Das will ich hier nicht wiederholen. Unsere Unterkunft ist großzügig, wir werden bestens betreut und umsorgt, aber wir sind in gewisser Weise extraterritorial. Der Kontakt zu den Kenianern beschränkt sich ganz wesentlich auf unsere Patienten und die Mitarbeiter. Wer einmal abends versucht hat, etwas in der Stadt zu unternehmen, wird das bei der aufwendigen Zeitinvestition für die Hinfahrt nicht so schnell wiederholen. So blieb es nicht aus, dass meine Wochenenden mit wesentlich mehr Aktivitäten gefüllt waren, als in all meinen früheren Einsätzen. Die Möglichkeiten für diese Aktivitäten sind aber auch sehr vielfältig. Kenia lebt in großen Bereichen vom Tourismus, und der ist nicht billig. So habe ich auch sicher mehr Geld in Kenia gelassen, als in all den anderen Ländern.

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Was mir immer wieder nach den Einsätzen durch den Kopf geht: Wir Ärzte sind privilegiert, wir haben einen Beruf gelernt, der es uns nicht nur im Ruhestand, ja in jedem Alter ermöglicht, den Kranken zur Seite zu stehen. Wenn es dann noch so problemlos und ohne die bei uns in Deutschland so vordergründigen bürokratischen Hürden geht, vielen Dank dafür.

Vielen Dank auch allen, die mich gedanklich begleitet oder unsere Arbeit finanziell unterstützt haben.