Kurz bevor mein Aufenthalt hier auf den Philippinen zu Ende ist, habe ich gemeinsam mit meinem Mann Robert Henker, der sechs Wochen lang als Arzt in Cagayan de Oro und auf Rolling Clinics taetig war, die Gelegenheit, im Armenviertel Payatas in Quezon City vorbeizuschauen – sowohl im Slum und auf der Müllhalde wie auch in der Ambulanz, die Ärzte für die Dritte Welt – German Doctors hier betreibt.

Dr. Huber hält Sprechstunde auf den Payattas

Dr. Huber hält Sprechstunde auf den Payattas

Dort arbeitet derzeit Projektarzt Erwin Huber. Der deutsche Arzt ist seit dreieinhalb Wochen hier und derzeit etwas erkältet. Aber bei über 100 Patienten, die täglich in seine Sprechstunde kommen, kann er es sich nicht leisten, eine Erkältung im Bett auszukurieren, sagt er lachend und mit gebrochener Stimme.

„Die meisten Patienten hier leiden unter Erkrankungen der Atemwege“, erzählt der deutsche Arzt. „Es kommen auch jeden Tag viele Menschen, unter ihnen sehr viele Kinder, die sich Verletzungen durch ihre Arbeit mit oder auf dem Müll zugezogen haben – zum Beispiel Schnittverletzungen an Füßen oder Beinen.“ Das ist nicht verwunderlich – schließlich wohnt und arbeitet der überwiegende Teil der Patienten direkt neben oder auf der Müllkippe.

Die Payatas: Das Armenviertel liegt direkt neben der Müllkippe.

Die Payatas: Das Armenviertel liegt direkt neben der Müllkippe.Die Ambulanz, die die German Doctors hier betreiben, liegt mitten im Slum neben der größten Müllkippe Manilas. Payatas ist eigentlich eine Stadt mit mehr als 200 000 Einwohnern, der Name wird aber häufig gleichgesetzt mit der Müllkippe, die sich hier befindet. Hier bringen jeden Tag 530 LKW insgesamt 1.200 Tonnen Müll aus Manila, Quezon City und Umgebung.53% der Menschen, die in Payatas leben, arbeiten direkt auf der Müllkippe – als Security, Müllfahrer, Einweiser der LKW und Helfer („Baleros“), Sortierer, Helfer in Muellsammelstellen. Das ist die offizielle Zahl, die wir bei unserem Besuch auf der Müllkippe bekommen. Inoffiziell sind es jedoch viele, viele Menschen mehr, auch Kinder, die illegal direkt auf der Müllkippe arbeiten, oder außerhalb den Müll sortieren oder Junkshops betreiben – Müllsammelstellen von Zwischenhändlern, die den sortierten Müll an Fabriken weiterverkaufen. Nachdem im Juli 2000 bei einem Rutsch der Müllkippe viele Menschen ihr Leben verloren, verbot die Regierung offiziell die Kinderarbeit auf der Müllkippe, Security-Guards überwachen die offiziellen Eingänge. Bis heute gibt es jedoch viele „Jumper-Boys“, die auf die LKWs aufspringen und so auf die Müllkippe gelangen oder sich durch den zerlöcherten Zaun Eingang verschaffen und so weiterhin dort arbeiten.Auf den sechs offiziellen Müllsortierstellen auf der Müllkippe arbeiten jeweils 75 Menschen.

Viele Eltern bringen den gesammelten Müll mit nach Hause, wo die gesamte Familie samt Kleinkindern beim Sortieren mit anpacken muss. Das ist nötig, damit eine Familie hier überleben kann und, je nach Menge, Art und Qualität des Mülls, 200 bis 350 Pesos am Tag verdient, das sind umgerechnet zwischen 3,30 Euro und ca. 5,90 Euro. Den sortierten Müll verkaufen die „garbager“ oder „scavenger“, wie sich die Müllsammler nennen, an die Junkshops. Bezahlt wird nach Gewicht und nach Müllsorte: So bekommen die Müllsortierer für ein Kilo Plastik zwar nur 8 Pesos, während ein Kilo Kupferdraht bereits über 200 Pesos einbringt. Jedoch gibt es zum einen weniger Kupferdraht innerhalb des Mülls, zu dem sie Zugang haben, zum anderen ist es vergleichsweise viel aufwändiger, diesen zu sammeln.

Kinder sortieren Müll

Kinder sortieren Müll

Bei unserem Besuch über die Müllkippe und durch den Slum sehen wir immer wieder Kinder, die in den Hinterhöfen Müll sortieren. Es stinkt nach Müll und Rauch, Abflüsse sind mit Müll verstopft, die Wege aus Schlamm und Abfall. Zwischendrin immer wieder Kinder, die arbeiten, spielen, schauen.

„Außerdem gibt es hier sehr viele unterernährte Kinder“, erzählt German Doctor Erwin Huber.

Mehr als 100 Patienten warten täglich auf die ambulante Sprechstunde.

Mehr als 100 Patienten warten täglich auf die ambulante Sprechstunde.

„Allein heute habe ich schon drei in der Sprechstunde gehabt.“ Nach dem, was wir bei unserem Rundgang erlebt haben, ist das nicht verwunderlich. Im angeschlossenen Tuberkulosezentrum, dem DOTS-Center, werden derzeit 58 Patienten, darunter acht Kinder, therapiert. Leider kann sowohl die Visite des Kurzzeitarztes als auch die Tuberkulosetherapie nur ambulant erfolgen – eine Krankenstation gibt es hier nicht.

Gut, dass die Männer, Frauen und Kinder, die hier unter menschenunwürdigen Bedingungen ihr Leben meistern, eine Anlaufstelle für akute Leiden haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

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