An Ostern schrieb Dr. Tobias Vogt, unser Langzeitarzt in Kalkutta, einen Brief. Dort berichtet er über das Imfprojekt in den Brickfields
„…Aber verlassen wir nun die Armen-Ambulanzen mit ihrem unglaublich breiten Spektrum an Krankheiten und werfen wir noch einen Blick auf das Impf-Programm. Dort gehen wir seit einigen Monaten neue Wege und kümmern uns gezielt um eine große Gruppe von arbeitenden Kindern aus allerärmsten Verhältnissen. Wir erreichen sie dort, wo sie tagsüber eben alle sind- in ihren Betrieben. Es geht um die Kinder aus Familien, die als ganzes, jedes Jahr im Oktober, in wirtschaftlich perspektivlosen Dörfern Indiens für die harte Saisonarbeit auf sogenannten Brickfields in Kalkutta angeworben werden und die daraufhin etwa bis Juni in Kalkutta bleiben. In Brickfields werden Ziegelsteine produziert, indem eine Mischung aus Uferschlamm des Ganges und Silbersand in übermannshohen Öfen gebrannt wird.

Kind in den Brickfields


Diese Arbeit ist nur in der Trockenzeit möglich. In dieser Zeit bleibt die ganze Familie auf dem Betriebsgelände; die Leute leben in schlichten Baracken. Sie verlassen die grossen Freilicht-Gelände der Betriebe nicht, schon deswegen nicht, weil sie das Stadtleben und die Sprachen, die hier gesprochen werden nicht kennen.Die Kinder dieser Familien leben mit ihren Eltern auf dem Betriebsgelände und sie arbeiten auch mit. Sie verdienen rund 30 Cent pro Tag für ihre körperliche Arbeit. Natürlich melden sich nur Familien für diese Knochenarbeit in der glühenden Sonne, die in ihren Dörfern nichts mehr zu verlieren haben. Die Männer sind üblicherweise körperlich stark und gesund, dabei Analphabeten. Die Frauen bringen kaum 30 kg Körpergewicht auf die Waage, sind ebenfalls Analphabeten und haben oft viele Kinder. Die Kinder sind praktisch alle untergewichtig und werden ihr Leben lang keine Schule von innen sehen. Sie haben erhebliche Vitaminmängel. Sie haben nie irgendwelche Impfungen bekommen, weil die Bundesstaaten, aus denen sie kommen, noch sehr unterentwickelt sind.

Unsere Impf-Teams betreuen mehrere tausend Kinder aus rund 100 Betrieben. All diese Betriebe liegen in einer langen Reihe am Ufer des Ganges, nicht weit von Kalkutta entfernt. In jeder Saison hören wir von Todesfällen unter den Kinder des Brickfields, in der Regel durch rasch voranschreitende Infektionskrankheiten wie Masern oder heftige Durchfälle. Diese Krankheiten können ihre Wirkungen nur deshalb so ungehemmt entfalten, weil sie Kinder treffen, die unterernährt sind und die auch schwere Vitaminmängel haben. Und natürlich, weil die Kinder noch nicht durch Impfungen vor Krankheiten wie Masern geschützt sind.

Brickfields

Es geht uns vordringlich darum, die Kinder der Brickfields zu impfen und etwas für ihren Ernährungsstatus zu tun. Weil keine Organisation tausend Kindern regelmäßig gutes Essen geben kann, müssen wir uns darauf beschränken, den Kindern Kapseln mit hochdosierten Vitamin-Konzentraten zu geben, die sie für ein paar Monate schützen. Außerdem kann man den Kindern bei dieser Gelegenheit direkt noch eine Wurmkur geben. Eine einzige Tablette treibt alle Würmer aus ihrem Darm aus, zumindest für ein paar Monate.
Unsere Impfteams fahren, neben ihrer Routine-Arbeit in unseren Armenambulanzen, an vier Tagen in der Woche in die Brickfields. Sie versorgen dort rund 1.800 arbeitende Kinder im Monat mit den nötigen Impfungen, mit Vitaminen und einer Wurmkur. Es ist davon auszugehen, dass dies den Kindern nachhaltig hilft“.

Mehr über unsere Arbeit auf: www.aerzte3welt.de