Verwandte bringen Gulnaz ins St. Thomas Home. Die 30-jährige Frau, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, kommt aus einem der riesigen innerstädtischen Ghettos von Howrah. Deren Bild ist geprägt von kleinsten dicht an dicht gedrängten Wellblechhüten. In den Gassen dazwischen häuft sich der Müll, eine gute Wasserversorgung fehlt. Die Menschen, die hier wohnen, haben nur ein gelegentliches Einkommen. Basteln beispielsweise in Heimarbeit Papierdrachen und erhalten für 15 Stunden Arbeit umgerechnet 30 Cent. Schlechte Luft, Unterernährung und dreckiges Wasser lassen die Menschen erkranken.

Gulnaz wirkt apathisch und erschöpft. Sie fiebert, hat in den letzten Wochen dramatisch an Gewicht verloren, hustet und atmet schwer. Dr. Tobias Vogt, der Langzeitarzt der Ärzte für die Dritte Welt, ordnet eine Tuberkulose-Diagnose an. Dafür muss Gulnaz in einen kleinen Becher husten. Anschließend untersucht der Labortechniker die Probe. Unter dem Mikroskop lassen sich rot gefärbte lang gestreckte Stäbchen erkennen.Dr. Vogts Annahme bestätigt sich. Gulnaz leidet an einer offenen Lungen-Tuberkulose. In Indien sind es hauptsächlich Frauen und Kinder, die an Tuberkulose erkranken.

Gulnaz wird umgehend stationär im St. Thomas Home aufgenommen und ist damit eine der 25 Patientinnen, die dort behandelt werden. Damit hat sie Glück. Denn durch die Vielzahl an Schwerkranken ist das Haus völlig überbelegt und die Warteliste der kranken Frauen ist lang. Über acht Monate hinweg muss Gulnaz täglich unter Aufsicht Medikamente gegen die Tuberkulose einnehmen. So wird der Behandlungserfolg gesichert. Lange Zeit muss sie eine Atemmaske tragen, immer wieder wird sie von Hustenanfällen geschüttelt. Ein erstes Zeichen, dass die Therapie anschlägt ist, dass Gulnaz wieder Appetit hat. Während ihres achtmonatigen Krankenhausaufenthaltes hat sie ihr Körpergewicht von 22 kg auf 40 kg gesteigert. In dieser Zeit hat Gulnaz auch schneidern gelernt, ein Angebot des St. Thomas Home. Nach ihrer Entlassung hat sie die Möglichkeit für ihre Familie zu sorgen.

Doch die Behandlung von Patienten wie Gulnaz ist nicht das einzige Mittel im Kampf gegen die Tuberkulose. Die Ärzte für die Dritte Welt e.V. klären auch über die Krankheit auf. So weisen sie daraufhin, dass bereits bei einem Tuberkulose-Patienten die gesamte Familie untersucht werden und im Fall der Fälle auch behandelt werden muss.